WAZ-Titel: Redaktionen überrumpelt

Die ersten Auswirkungen des drastischen Sparkurses bei den vier WAZ-Titeln in NRW zeigen die heutigen Ausgaben mit nur noch 32 Seiten Umfang. Angeblich soll das nicht so bleiben, versucht Pressesprecher Paul Binder prompt zu beschwichtigen. Die Planungen für die morgige Ausgabe besagen aber etwas anderes: „Mit der Platzgestaltung ist es heute noch schlimmer als gestern“, so eine Redakteurin.

Pikant und bezeichnend für die unternehmerische Desinformation im Haus: Mit der Anordung für diese Maßnahme sind die Redaktionen völlig überrumpelt worden. Selbst die Chefredakteure hatten nach bisherigem Kenntnisstand bis zuletzt keine Ahnung. Dabei war den Betriebsräten noch am vergangenen Mittwoch von der Geschäftsführung zugesagt worden, bis 21. November die einzelnen Maßnahmen für das Sparpaket von insgesamt 30 Millionen Euro zu erläutern. Es war keine Rede davon, was schon am nächsten Tag auf die Redaktionen zukommen sollte.

Die rund 30 Millionen Euro will die WAZ-Gruppe an Sach- und Personalkosten sparen, berichtete die Süddeutsche Zeitung am Abend des 23. Oktober. Der schon angedrohte Personalabbau könnte danach mehrere hundert Stellen kosten.

WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach soll den Betriebsrats-Vertretern der vier Ruhrgebiets-Titel am Mittwoch bei einer Besprechung erklärt haben, die Lage sei „dramatischer, als sie je war“. Das Sparziel sei ohne „deutlichen Personalabbau“ nicht zu erreichen. Dabei könnte es um bis zu 300 der insgesamt 900 stellen gehen – falls bei den Sachkosten nicht gespart wird, so die Informationen der SZ. Einer Mitarbeiterinformation der Geschäftsführung zufolge will man „sehr schnell in die notwendigen Verhandlungen über einen Sozialplan eintreten“.

Als mögliche Maßnahmen zur Kostenersparnis werden u.a. Umfangsreduzierungen genannt, die jetzt offensichtlich bereits umgesetzt wurden. Diskutiert werden aber auch – Formen der titelübergreifende Zusammenlegung von Redaktionen und die Schließung von Lokalredaktionen.

Dem internen Zeitplan zufolge soll der Bericht der Unternehmensberatung Schickler am 21. November vorliegen. Eine Einigung über einen Personalabbau soll bis zum 31. Januar 2009 erzielt werden.

Zum Beitrag der Süddeutschen Zeitung (23. Oktober)
Zum Editoral Das miese Geschäft mit der Angst (JOURNAL 5/08)
Zum Beitrag Das WAZ-Modell wird der Rendite geopfert (JOURNAL 5/08)

7 Antworten zu “WAZ-Titel: Redaktionen überrumpelt”

  1. WAZler sagt:

    Schlimmer geht es nimmer. Vom Umgang mit dem ungeliebten Personal hat die Chefredaktion auch nach der Schließung der Redaktion im Kreis RE aber auch gar nichts gelernt, wieder werden die Kollegen – und diesmal alle – über lange Zeit darüber im Unklaren gelassen, wie es mit ihnen weitergeht. Das sorgt natürlich für Superstimmung im Haus.
    Und die von der CR geforderte Qualitätsdiskussion wird angesichts der täglichen Umfänge zur Farce

  2. Katzenklo sagt:

    Wer das WAZ-Verlagsgebaren en Redaktionen gegenüber seit Jahrzehnten beobachtet hat, kann sich eigentlich über die jetzige Situation nicht besonders wundern. In diesem „Kommunikationsunternehmen“ hat man nur selten etwas von Transparenz , Kommunikation, gehalten, wenn es um gravierende Belange der Redaktionen ging. Geschweige denn, wenn es um Betriebsräte ging. Vieles erfuhren die Redaktionen aus dem eigenen Haus aus anderen Publikationsorganen, mußten Betriebsräte sich vor Gericht erkämpfen, obwohl im Betriebsverfassungsgesetz klar zu lesen steht, dass eine Informationspflicht des Arbeitgebers „rechtzeitig“ besteht. Nach dem erfolgreichen Gang durch die Gerichtsinstanzen war eine Maßnahme dann meist schon zementiert. Es ist eine bewährte Taktik erst einmal für Angst und Schrecken in der Belegschaft zu sorgen, dann die Büchse der Pandora schnell zu schließen und sich feiern lassen, da es ja doch nicht ganz so schlimm gekommen ist.
    Es ist ja angesichts des Tendenzschutzes auch so bequem, unbewiesene Tatsachen oder Zahlen in die Welt zu setzen, dann gravierende Maßnahmen oder Einsparungen durchzusetzen. Es ist schlichtweg eine nicht bewiesene Tatsache, dass Zeitungstitel der WAZ-Mediengruppe rote Zahlen einfahren. Alle Titel sind Redaktionsgesellschaften, die über keinerlei Einnahmen verfügen. Personal- und Sachkosten schlagen nur zu Buche. Das ist nichts Verwerfliches, wahrscheinlich eine geniale Situation, wenn es ums Steuerzahlen geht. Es wäre nur schön, wenn zur Begründung der roten Zahlen endlich einmal von der Verlagsleitung vorgerechnet wird wie der Rechen-, Verrechnungsmodus im Konzern aussieht, der angeblich zu roten Zahlen führt. Der Tendenzschutz macht dieses Jonglieren mit Zahlen möglich. Warum sollen eigentlich gerade 30 Millionen Euro eingespart werden? Ist das vielleicht nur der fehlende Betrag zur angesteuerten Rendite?
    Das immer wieder in den Mund genommene große Wort der Qualitätssteigerung bei Kosten- und Personaleinsparung ist ja wohl das Unwort des Jahres. Effizienterer kluger Personaleinsatz ja, aber weniger Redakteure bedeutet nun einmal weniger guter oder sogar exklusiver Geschichten, weniger Vielfalt. Weniger Zeitungsseiten bedeuten ebenfalls weniger Information, weniger Qualität. Wer etwas anderes behauptet, streut Sand in die Augen, sagt schlicht nicht die Wahrheit. Würde ein Redakteur so arbeiten, landet er zu Recht vor dem Presserat.
    Apropos Redakteure. Sie kennen ihren Laden aus dem Effeff. Auf die Idee, sie in „Krisensituationen“ mit ihren Wissen in Lösungen einzubinden, will keiner kommen. Das stört das Gefüge von oben nach unten. Sogenannte Experten von außen kennen ja schließlich mehr davon. Dafür begreifen sie die publizistische Aufgabe einer Zeitung um so weniger. Müssen sie aber wohl auch nicht.
    Die Anzeigenumfänge sind geringer geworden. Stimmt. Warum? Ein Blick in den hierfür zuständigen Personalsektor und Logistik zeigt auch, dass hier eine intensive Beratung von Anzeigenkunden mangels Masse kaum in dem Maße erfolgen kann wie das wünschenswert wäre. Das ist beliebig fortzusetzen. Alles Qualitätssteigerung.
    Wie sagte doch ein WAZ-Geschäftsführer angesichts eines Streiks, einer reduzierten Zeitung, einmal so schön: Das hat auch etwas Gutes. Wir sparen Arbeitskraft, Strom und Papier. Qualitätssteigerung?
    Dieses Elaborat ist zu lang. Dann einfach nur zwei Absätze lesen.

  3. Faustkeilindustrielle sagt:

    Nun schlägt durch, daß die Monopolisten selten aus der großen, weiten Arbeitswelt abseits der Wahrnehmung, die der Clement vorgab, berichteten.
    Alle zeigen sich überfordert mit dem realen Arbeitsleben, wie es nun mal ist.
    Neue Chance für weitere Zeitungsmacher, die Ruhries zu beglücken.
    JETZT!

  4. rumpler sagt:

    Da wäre er also, der Super-Gau – 300 Redakteure sollen gehen, weil die Herren Hombach und Reitz die Herausforderungen, die Leser an eine moderne Zeitung haben

    a) verschlafen
    b) nicht angepackt und
    c) wenn, dann gegen die Interessen der Leser gehandelt haben.

    Man kommt sich vor, wie in „Des Kaises neue Kleider“. Ein Chefredakteur führt eine feindliche Übernahme durch, mischt Lokal- und Zentralredaktionen auf, kauft teures Personal ein, fährt eine Pro-Rüttgers-Linie – entgegen des politischen Mainstreams der WAZ-Leserschaft und – als wäre das alles noch nicht genug – setzt er mit seiner wirtschafts-neoliberalen Linie noch einen drrauf. Kein Wunder,dass die Zahlen in den Keller gehen und jetzt 30 Millionen eingespart werden müssen.

    Selbstgefälligkeit (Reitz schwadroniert gerne über seine Lichtinstallations-Decke in seinem Büro, seine italienischen Lederschuhe, einen Audi Q7 als künftigen Dienstwagen, und davon, dass er nicht ins Ruhrgebiet ziehen will, weil er dort keine adäquate Schule für seine Kinder (sic!) finden würde) und Distanz von der Truppe kennzeichnen diesen Chefredakteur, der – von Herrn Hombach eingekauft – nach wie vor ein Blatt gegen die Leser macht.

    Das heißt: So ganz stimmt das nicht mehr – in den vergangenen 14 Tagen sind wieder zaghafte CDU-kritische Berichte in der WAZ zu lesen… Vielleicht lernt der Mann ja doch noch dazu.

    Und erkennt: Die WAZ ist eine Regionalzeitung für Menschen, die zum Großteil deutlich weniger als 40.000 Euro pro Jahr verdienen (brutto).

    Die WAZ ist eine Regionalzeitung, deren Leser – wie sagte es der frühere Chefredakteur Ralf Lehmann (1989-2000) treffend – sich weniger für Leitartikel, Kultur und gedrechselte Essays interessieren, sondern für den Lokalsport, für die Nachrichten von vor der Haustür und die Geschichten, die für sie Relevanz haben.

    Und dazu gehören nun einmal nicht aufgeblasene Polit-Stücke aus Übersee oder Fernost, Wirtschaftsnachrichten – das kann das Handelsblatt eh besser – oder Lifestyle-Tipps für seine (Reitz) frühere Düsseldorfer-Klientel.

    Fahren Sie doch mal Bus und Bahn, Herr Reitz, gehen Sie in den Städten des Reviers mal samstags einkaufen, dann werden Sie sehen, wie weit weg Sie von allem sind, was die WAZ in Ihrem Auftrag heute so macht.

    Vielleicht wechselt Reitz dann mal die Brille – von Rhein (Düsseldorf) auf Ruhr(gebiet).
    Vielleicht finden er dann auch was zum Anziehen – von wegen des Kaisers neue Kleider….

    Aber vielleicht ist’s ja auch wie bei VW – Piech und sein Wahnsinnsprojekt Phaeton fressen die Erlöse von Golf und Polo auf.

  5. ruhrporter sagt:

    Herr Ackermann hat viel Schelte bekommen für seine Erklärung, die Deutsche Bank müsse eine Rendite von 25% erzielen. Herr Hombach vergleicht sich ja gerne mit den ganz großen dieser Welt – und er hat in der Tat 25% geschafft, allerdings im Minusbereich.
    Als Herr Hombach zur WAZ-Mediengruppe kam, ist er mit einer Auflage von 1.000.905 Exemplaren (IVW) gestartet. Das dritte Quartal 2008 schloss ab mit einer Auflage von 787.214 Exemplaren für die Zeitungstitel in NRW. Der Auflagenverlust macht also 24,9% aus – inzwischen sind die 25% schon übersprungen.
    Der aus diesem Auflagenverlust resultierende Einnahmeverlust hat längst den dreistelligen Mio-Bereich überschritten, er ist auf knapp über 50 Mio € jährlich zu beziffern.
    Die Ursachen – jedenfalls ein erheblicher Teil der Ursachen – sind im Beitrag zuvor trefflich beschrieben worden.
    Die WAZ, aber auch die NRZ haben den Bezug zu ihren Lesern verloren. Eitle Chefredakteure, die sich wichtiger nehmen als ihre LeserInnen und dabei auch noch Rückendeckung von der Geschäftsführung erhalten, werden den Niedergang der WAZ Mediengruppe weiter beschleunigen.
    Die Herren Hombach, Reitz und Oppers ficht das nicht an. Der eine palavert über Ethik und Moral (ausgerechnet er!!!), der zweite ist davon überzeugt, dass die vnn ihm gemachte Zeitung sehr gut ist, aber leider zu dumme Leser hat, der dritte freut sich, wenn ihn der FDP-Chef fragt, ob er denn wohl sein bisheriges Leben unter der Quarkmaske verbracht habe.
    Es ist zum K…..

  6. ruhrporter sagt:

    Korrektur!!!

    Im vorstehenden Beitrag wurde der aus dem Auflagenverlust resultierende Einnahmeverlust auf knapp über 50 Mio € jährlich beziffert. Diese Zahl ist falsch.
    Richtig sind folgende Zahlen:
    2002 = 2,779 Mio €
    2003 = 3,275 Mio €
    2004 = 3,223 Mio €
    2005 = 3.230 Mio € (Herr Reitz ab 1.7. WAZ-CR)
    2006 = 4.019 Mio €
    2007 = 4.114 Mio €
    2008 = 3.353 Mio € (Januar bis September!)
    Hochrechnung 2008 = 4,359 Mio €
    Gesamt von Januar 2002 bis September 2008 = 23,993 Mio €
    Ich bitte den Fehler zu entschuldigen.

  7. AbZählReitz sagt:

    Am 27.10.2009 hat der WAZ-Protest.Blog sein Einjähriges. Es ist eine Geschichte des Journalismus von Schülern und Rowdow, the Bad Nose Paindear. Nahezu 17.000 Kommentare schildern den Untergang des Revierpublizismus. Die Jünger der Vierten Gewalt lebten unter der Knute eines Monopolisten. Das war das Vierte Reich des Regionalsozialismus im Ruhrgebiet. Jetzt stirbt WAZ, WP, WE und NRZ. Das Große Jammern bei MedienMoral, dem sog. WAZ-Protest-Blog.