Erzbistum Paderborn schließt „Der Dom“-Redaktion

Ausgerechnet drei Tage vor Weihnachten ließ der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker per Pressemitteilung ankündigen, die Redaktion seiner Bistumszeitung „Der Dom“ spätestens zur Jahresmitte 2010 komplett vor die Tür setzen zu wollen. Fünf Redakteure und zwei feste Freie sind von dieser Entscheidung des Bistums, dem die Produktion der Wochenzeitung zu teuer geworden ist, betroffen.

Begründet wird der überraschende Schritt mit der wirtschaftlichen Lage der Wochenzeitung, die unter hohem Kostendruck und Auflagenschwund leide. Dagegen sagt der bisherige Chefredakteur Christian Schlichter: „Der Dom ist kreuzgesund.“ Schlichter versteht den überraschenden Schritt  des Bistums nicht: „Wieso hat man nicht mit der Redaktion gesprochen?“ Laut Pressemitteilung des Erzbistums wurde die Aufgabe der Redaktion mit dem Erzbischof als Herausgeber „im Vorfeld intensiv beraten.“

Künftig setzt das Erzbistum auf die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) in Bonn, die journalistische Inhalten zuliefern soll. Wie die Zusammenarbeit ab dem 1. Janauar kommenden Jahres aber genau aussieht, konnten gestern die Geschäftsführer Thomas Juncker (KNA) und Rainer Beseler (Bonifatius Verlag Paderborn) noch nicht übereinstimmend beschreiben. Dort befinde man sich noch im „Abstimmungsprozess“, so Beseler auf Nachfrage. Beseler spricht aber von einem „klaren Schnitt“, der angesichts der künftigen Entwicklung in der Branche nötig gewesen sei. Es sei eine „zukunftsweisende Entscheidung“. KNA will künftig weiteren deutschen Bistumszeitungen nach dem Vorbild der Deutschen Presseagentur (dpa) vorproduzierte Inhalte anbieten.

Pikant an der Paderborner Ankündigung ist, dass der Paderborner Erzbischof Becker vor fast genau drei Jahren vor dem Hintergrund der ersten deutschen Redaktionsschließung bei der Münsterschen Zeitung in Münster gemahnt hatte: „Sachgerecht, umfassend, kritisch, unabhängig berichten hat seinen Wert und braucht deshalb gerechten Lohn und nicht Tarifflucht!“ (siehe auch diesen Beitrag im Tagesspiegel des 27.1.2007) Damals hatte Becker, der auch stellvertretender Vorsitzender der Publizisitschen Kommission der deutschen Bischöfe ist, öffentlich gefragt: „Kann es angehen, dass die Kräfte und Herausforderungen der Globalisierungsbeschleunigung die Verantwortlichen davon entbinden, gewissenhaft zu handeln und Verantwortung zu übernehmen?“  Beckers fragende waren damals bundesweit beachtet worden: „Täuscht mich der Eindruck, dass die moralische Schere zwischen rücksichtslosem Profitdenken und sozialer Fairness auch in der medialen Welt immer weiter aufgeht?

Als „verlegerisch fragwürdig und menschlich tragisch“ kritisiert die Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands e.V. (GKP) die Entscheidung des Paderborner Bischofs für die Redaktionsauflösung (siehe diesen Beitrag vom 22.12.2009). Die Gesellschaft weist auf den Interessenskonflikt bei der KNA hin, da sie als Nachrichtenagentur zu Neutralität und Sachlichkeit verpflichtet sei und unabhängig über diözesane Entwicklungen berichten müsse. Zudem gerate die KNA durch die Kooperation in Konkurrenz zu anderen Bistumszeitungen, deren Dienstleister sie ist. Mehrheitsgesellschafter der KNA ist zu rund 80 Prozent der Ver- band der Diözesen Deutschlands (VDD).

16 Antworten zu “Erzbistum Paderborn schließt „Der Dom“-Redaktion”

  1. […] WAZ Protestblog » Blog Archive » Erzbistum Paderborn schließt “Der … […]

  2. ella sagt:

    Das ist jawohl völlig ohne Worte.

  3. […] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von medienmoralnrw und Corinna Blümel, Karlheinz Stannies erwähnt. Karlheinz Stannies sagte: Frohe Weihnachten, Mitarbeiter! #Medienmoral: Erzbischof schließt http://tinyurl.com/y8rdyss und WAZ druckt http://tinyurl.com/y8j757r […]

  4. […] Kirche: Kündigungen zu Weihnachten…Medienmoral NRW […]

  5. asozialerarbeitgeber sagt:

    Das ist exakt genauso so eine Sauerei wie damals bei der Münsterschen Zeitung. Das darf doch wohl nicht wahr sein!
    .
    Ich bitte alle, ihre Meinung zu sagen:
    .
    Erzbischof Hans-Josef Becker
    Erzbischöfliches Generalvikariat Paderborn
    Domplatz 3
    33098 Paderborn
    Tel.: 05251-125 1287
    eMail: info@erzbistum-paderborn.de
    .
    Es sollte während der christlichen Tage genug Zeit sein, um Herrn Erzbischof mal die Meinung zu geigen.

  6. Erzbischof sagt:

    Was ist, wenn dem Erzbischof auch gekündigt worden ist? Welche Kündigungszeit hat der in seinem Arbeitsvertrag stehen?

  7. Nikolaus sagt:

    Von mir hat der Erzbischof gerade seine „Bescherung“ per E-Mail bekommen. Frohes Fest, alter Pharisäer.

  8. rot sagt:

    Ihr roten Socken seid doch wahrscheinlich alle ausgetreten, deshalb müssen die Katholen jetzt sparen.

  9. Watzmann sagt:

    „… dass die Verteilung von Kondomen als Aufforderung zur Promiskuität verstanden werden kann, die das Problem verschärfen würde, sollte jeder nachvollziehen können. Das beste Gegenmittel gegen die weitere Aids-Verbreitung ist nun mal eheliche Treue und Enthaltsamkeit.“
    (Aus „DerDom“, Kommentar eines 43-jährigen DerDom-Redakteurs)
    .
    Tut mir ehrlich leid, Jungs. Aber wer sowas verzapft, darf sich nicht wundern, dass ihm in einer aufgeklärten Gesellschaft die Leser scharenweise davonlaufen.

  10. Nikolaus sagt:

    @Watzmann
    Und was spricht aus deiner Sicht gegen eheliche Treue?
    .
    Davon abgesehen, dass die KNA das Blatt natürlich viel aufklärerischer produzieren wird…
    .
    Ach ja: „110 Tiere aus zehn Rassen und Farbschlägen – und dazu jede Menge Fachgespräche und Kontakte. Der Kaninchenzuchtverein W 88 Gladbeck-Süd startete jetzt seine Lokalschau im Vereinslokal.“ Aus der WAZ. Wer so etwas…

  11. Watzmann sagt:

    @Nikolaus. „Und was spricht aus deiner Sicht…“ Nichts. Wer allerdings allen ernstes gegen die Verteilung von Kondomen bei der AIDS-Bekämpfung in Afrika agitiert (in Subsahara-Afrika sind 67% aller Menschen mit HIV/AIDS infiziert), der macht sich schuldig.
    Übrigens helfen Kondome auch bei ehelicher Treue gegen eine HIV-Infektion.
    Die Erörterung solcher Thematik mit Kaninchenzucht-Berichten gleichzusetzen ist übrigens (…) unklug

  12. Nikolaus sagt:

    @Watzmann
    Ja, hast Recht!
    Aber hier geht es doch gar nicht um Inhalte. Die Kaninchen haben im Ruhrgebiet genauso ihre Berechtigung wie vielleicht der von Dir zitierte Kommentar in einer Kirchenzeitung.
    .
    Hier geht es doch allein um die Art und Weise, wie eine Redaktion entlassen wurde.

  13. Annotator sagt:

    und dann schrieb da noch:

    „Was ich in der Zeitung lese verschlägt mir jetzt ein bisschen die Sprache.
    Es tut mir leid, dass man so mit Ihnen umgeht. Haben Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen denn eine Perspektive bei dem anderen genannten Verlag?
    Ich hoffe es für Sie! Ihnen halte ich die Daumen.“
    Viele Grüße
    Bernd Schulze-Waltrup
    Mitglied des Kreistages Paderborn
    Mitglied im Bundesvorstand CDA

    alles Weitere zum Thema auch unter:
    http://www.dom-protest.de

  14. Annotator sagt:

    und ebenfalls schrieb dazu:

    WMit Erschrecken habe ich zunächst bei KNA und dann im Pressedienst des Erzbistums die Meldung über die „Umstrukturierung“ des Doms gelesen. Ohne über diese Informationen hinaus Weiteres zu wissen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Entwicklung irgendjemandem nützt.
    Den Redaktions- (und möglicherweise auch Verlagsmitarbeitern) nicht, die ihren Arbeitsplatz verlieren;
    den Leserinnen und Lesern nicht, die vor den Kopf gestoßen werden, weil sie auf ihr gewohntes Produkt verzichten müssen;
    der Katholischen Nachrichtenagentur nicht, die sich plötzlich auf neuen Feldern bewähren soll, für das ihr das Know-how fehlt – und die durch ein solches Projekt Animositäten bei solchen Menschen hervorruft, denen die Bistumszeitungen ein Anliegen sind;
    der Erzdiözese nicht, die – ohne weitere Möglichkeiten etwa der Kooperation mit anderen Bistumszeitungen oder des Abspeckens gründlich auszuloten – sich eines bewährten Kommunikationsmittels begibt und auf ein vages neues Modell setzt.
    Diese Entscheidung wird bei Entscheidungsträgern und Medienleuten in vielen Bistümern Verwunderung hervorrufen, sicherlich aber auch großes Bedauern, denn „Der Dom“ als hervorragende deutsche Bistumszeitung wird auf dem Medienmarkt fehlen – und das Image und damit die Stellung der Bistumspresse wird durch diesen Ausfall insgesamt geschwächt. Dazu trägt aber auch die Art der Veröffentlichung bei: Wer will denn sich – zunächst einmal natürlich im Erzbistum Paderborn, aber mit Auswirkungen auch darüber hinaus – jetzt noch für eine Bistumszeitung interessieren, wenn sie anscheinend so den Bach runtergeht.“

    Ernst Schlögel
    Würzburg

    alles Weitere auch unter:
    http://www.dom-protest.de

  15. Annotator sagt:

    ebenfalls erbost reagierte:

    „Ich werde mein Abo kündigen. Mit der redaktionellen Veränderung bin ich nicht einverstanden. Ich beziehe die Zeitschrift seit über 40 Jahren und bin immer bestens informiert worden, dafür meinen ganz herzlichen Dank der Redaktion mit dem Chefredakteur Christian Schlichter und seinen Mitarbeitern.“
    Elmar Grünheit,
    Willebadessen- Peckelsheim

    alle Details unter:
    http://www.dom-protest.de

  16. Medienmoral sagt:

    Am Freitag, den 8.1., hat das Arbeitsgericht in Paderborn den Antrag des Betriebsrates auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. In der Schließung der DOM-Redaktion konnte das Gericht keine „wesentliche Betriebsänderung“ für die Bonifatius GmbH erkennen.

    Die Klage des Betriebsrats hatte zum Ziel, die zum 30.06.2010 beschlossene Schließung der Redaktion so lange zu unterlassen, bis der zwischen den Beteiligten zu versuchende Interessenausgleich zustande gekommen oder endgültig gescheitert ist.

    Mit der Ablehnung sei aber kein Urteil über die Rechtmäßigkeit der Kündigungen gefällt, sagte die Richterin ausdrücklich.

    Der nächste Schritt ist die Revision beim LAG Hamm.

    Quelle: http://www.dom-protest.de