Und die Moral…
Medienmoral. Der Name dieser Webseite kommt nicht von ungefähr. Über „Die Moral der Medien“ hat nämlich Bodo Hombach gesprochen und zwar am 24. Oktober in Bayreuth. „Wir haben alle erdenklichen Maßnahmen eingeleitet und Vorkehrungen getroffen, unsere Qualität zu verbessern und Unabhängigkeit zu sichern. Das gilt für das Inland, aber auch für unser Auslandsengagement“, heißt es in diesem Beitrag. Dagegen wird Medienforscher Horst Röper, Dortmund, heute in der Berliner Zeitung zitiert: „Bei der Zusammenlegung oder Schließung von Lokalredaktionen gibt es künftig weniger journalistische Sichtweisen,“ sagt er. Es drohe ein „Einheitsbrei“. Und die Moral von der Geschicht?
Zum Beitrag Berliner Zeitung hier
Zum Beitrag von Bodo Hombach beitrag-bodo-hombach-bayreuther-dialoge-2008
So also sieht Qualitätsverbesserung aus: Man nehme eine Zeitung und putze alle anderen im Revier von der Platte. Schon ist die übrig gebliebene garantiert die beste.
Reitzende Aussichten! Die Blätter werden dünner, die Redaktionen leerer … und manche Lokalen und Mäntel werden wohl zusammengehombacht bzw. gleich ganz genienhaust. Oder zumindest verzentralnewsdeskt und gleich multicrossmedialisiert.
Die immer wieder versprochene Vielfalt bei WAZ & Co. steht wohl irgendwann nur noch auf dem Papier. Da gibt es das Modell Kreis Recklinghausen: alles dichtmachen und zentralisieren … nach dem Motto: es kriegt ja jeder noch „(s)eine“ Zeitung, sogar eine für alle, sind wir nicht lieb? … und dann irritiert gucken, dass dieser Lokaljournalismus der Zukunft soooo gar keine richtige hat. Naja, wenigstens hat die Konkurrenz profitiert.
Zur Not gibt’s auch das Modell „So tun als ob“: Da, wo sich Redaktionen aus der Gruppe direkt Konkurrenz machen, eine Mannschaft minimieren, Artikel der anderen übernehmen … und lediglich auf Optik der eigentlich nicht mehr vorhandenen Lokalausgabe umarbeiten lassen.
Tricksereien oder gleich ganz dichtmachen. Und natürlich alles eigentlich nur, um ein wenig zu sparen, vor allem aber, um die Qualität zu heben!
Personalabbau plus Einsparungen gleich Qualitätslokaljournalismus? So dumm sind Leser(innen) nun auch wieder nicht. Sie sehen: Da gibt’s jetzt schon weniger Seiten fürs Geld. Sie wissen: Weniger Journalist(inn)en sind weniger besuchte Termine. Sie ahnen: Mehr zentrale Seiten sind weniger Meinungen und Hintergründe.
Sparen ist ja gut und schön. Die Mitarbeiter(innen) hätten da bestimmt Ideen (wieviele Leute braucht eigentlich so eine Geschäftsführung? … mehr als von der WAZ-Gruppe zu einem Bundesligaspiel gehen?) und könnten sicher einiges dazu beitragen (das haben sie bewiesen, seitdem viele schon für die Übernahme von Journalistenschülern auf einen Teil ihres Gehalts verzichten). Lokalzeitungen sind was ganz Besonderes, publizistische Vielfalt vor Ort ist ein zu wichtiges Gut, um damit nur noch Hombach … sorry … Reibach machen zu wollen.
Die Bayreuther Rede von Herr Hombach verdient eine lange Replik, es sei hier mit einigen Einwürfen zu einigen Zitaten der Anfang gemacht.
Zitat: „Vieles von dem, was ich als Risiko und auch als Problem aufzeige,
ist in unserem eigenen Hause bereits gelöst oder auf einem guten Weg. So haben
wir am 2. Mai 2007 einen Ehrenkodex verabschiedet, von dem ich Ihnen auch einige
Exemplare mitgebracht habe, der unser publizistisches Wirken von Schleichwerbung
und unsere journalistische Arbeit von unsachgemäßen Einflüssen freihalten soll.“
Einwurf: „Unsachgemäße Einflüsse“ – Es war gute Tradition bei der WAZ Mediengruppe, dass sich die Geschäftsführung (Grotkamp u. Schumann) grundsätzlich nicht in redaktionelle Belange eingemischt hat. Herr Hombach pflegt da einen anderen Stil. Um seine Sicht der Dinge (z.B. zum Bereich Medienpolitik) in den Zeitungen zu platzieren, greift er gerne auch schon einmal selber zum Telefon, um das Ergebnis der Intervention später (vor der Veröffentlichung) durch seinen Unternehmenssprecher überprüfen zu lassen. Dem Beispiel seines Herrn und Meisters folgend spannt auch Marketing-Chef Zowislo den Lokalteil für sein Bemühen ein, CDU-OB von Mülheim zu werden.
Zitat: „Auch das ist wahr: Die Werbe-Inseln wachsen flächendeckend zusammen. Der
Beeinflussungsversuch der PR auf journalistische Medien und die Beeinflussung der
Berichterstattung durch wirtschaftliche Interessengruppen nimmt massiv zu. Für die
Marketing- und Werbeabteilungen der Industrie ist es die effizienteste Form der
Image- und Produktwerbung. Schleichwerbung kommt hinzu. Schon soll es
Austauschbeziehungen nach dem Muster „Anzeige gegen Text“ geben.“
Einwurf: Herr Hombach scheint seine Zeitungen und die ihnen beiliegenden Produkte nicht zu lesen – das ist eine freundliche Unterstellung. Ansonsten könnte er Woche für Woche in dem von ihm als Ersatz für die Fernsehbeilage BWZ eingekauften Produkt „RTV“ feststellen, dass die Austauschbeziehung „Anzeige gegen Text“ längst eine Steigerung in dem Modell „Text statt Anzeige“ gefunden hat. Jede RTV-Ausgabe verstößt erstens gegen den Ehrenkodex und zweitens auch gegen die entsprechenden Bestimmungen des Presserates.
Zitat: „Das schon immer zerbrechliche Ethos der Trennung von Information und Kommentar erscheint als ein Restposten der Aufklärung. Es treibt nur noch wenige um.“
Einwurf: Steht dieser Satz für den Wunsch von Herrn Hombach, die Trennung von Information und Kommentar möge doch bitte wieder stärker beachtet werden? Noch scheinheiliger geht es kaum. Nur zwei Beispiele: Was wäre denn wohl aus der Kampagne der WAZ gegen Evonik-Chef Müller bei Beachtung dieses Gebots geworden? Dürfte der NRZ-CR Oppers bei Beachtung eines solchen Gebotes im Kuratorium „Rettet Intendant Kaufmann“ mitwirken?
Die Trennung von Information und Kommentar war ehedem (unter den Chefredakteuren Brost, Maruhn und Lehmann) eisernes WAZ-Gebot. Unter Knüpfer wurde diese Regel aufgeweicht, unter Reitz findet diese Trennung nicht mehr statt.
Zitat: „Jetzt werden wir umgehen müssen mit einer Gesellschaft, bei der jede noch so obskure Spinnerei im Internet „auf Sendung“ geht, überall auf der Welt zugänglich wird und unwiderruflich vorhanden bleibt, und das ohne „Fünf-Prozent-Klausel“ für Fanatiker,
Demagogen, Phantasten.“
Einwurf: Dem kann man nur zustimmen. Aber auch in diesem Punkt ist Herr Hombach mehr als scheinheilig. Was soll die Klage über Fanatiker, Demagogen und Phantasten, wenn die Internet-Botschaften dieser „Missionare“ als „Leserbriefe“ oder „online-Kommentare“ ungefiltert Eingang finden in die Spalten der Zeitungen? Mit der Veröffentlichung dieser anonymen „Zuschriften“ wird das verbale Bemühen um Glaubwürdigkeit von Zeitung und Qualitätsjournalismus zur Farce. Es hatte seinen guten Grund, das „früher“ (wenige Jahre zurück) jeder Leserbrief auf seine Echtheit hin überprüft wurde. Es hatte seinen guten Grund, dass der Leserbrief nur dann anonymisiert veröffentlicht wurde, wenn der Schreiber mit der Nennung seines Namens persönliche Nachteile zu befürchten gehabt hätte.
Wenn heute unter diesen online-Zuschriften steht, der Name sei der Redaktion bekannt, dann ist das schlichtweg gelogen. Der Name ist der Redaktion nur dann bekannt, wenn sie den Leserbrief selber geschrieben hat. – Leider auch keine Seltenheit mehr.
Zitat: „Meine persönliche Biografie hat mich in die unterschiedlichsten Beziehungen zu
Medien gesetzt. Wie kaum ein anderer habe ich fast alle Facetten möglichen
Zusammenwirkens selber erfahren und darin eine Rolle gehabt. Die Quintessenz
meiner Lebenserfahrung ist: Nichts kontrolliert die Macht und die Mächtigen so sehr
und befördert sogar ihre Selbstkontrolle wie das Risiko, dass etwas veröffentlicht
werden könnte, was sie nicht veröffentlicht sehen wollen.“
Einwurf: Das ist schon richtig, es sei denn, der „Mächtige“ kontrolliert auch die Medien. Dennoch bleibt das Risiko letztlich bestehen; und Herr Hombach sollte Vertrauen haben in die Beharrlichkeit der Medien: Auch zu „seinem“ BGH-Urteil (VI ZR 65/08) wird es genau im Sinne des beschriebenen Risikos noch einen Nachtrag geben. Wir arbeiten daran, versprochen.
Die Bayreuther Rede von Herr Hombach verdient eine lange Replik, es sei hier mit einigen Einwürfen zu einigen Zitaten der Anfang gemacht.
Zitat: „Vieles von dem, was ich als Risiko und auch als Problem aufzeige, ist in unserem eigenen Hause bereits gelöst oder auf einem guten Weg. So haben wir am 2. Mai 2007 einen Ehrenkodex verabschiedet, von dem ich Ihnen auch einige Exemplare mitgebracht habe, der unser publizistisches Wirken von Schleichwerbung und unsere journalistische Arbeit von unsachgemäßen Einflüssen freihalten soll.“
Einwurf: „Unsachgemäße Einflüsse“ – Es war gute Tradition bei der WAZ Mediengruppe, dass sich die Geschäftsführung (Grotkamp u. Schumann) grundsätzlich nicht in redaktionelle Belange eingemischt hat. Herr Hombach pflegt da einen anderen Stil. Um seine Sicht der Dinge (z.B. zum Bereich Medienpolitik) in den Zeitungen zu platzieren, greift er gerne auch schon einmal selber zum Telefon, um das Ergebnis der Intervention später (vor der Veröffentlichung) durch seinen Unternehmenssprecher überprüfen zu lassen. Dem Beispiel seines Herrn und Meisters folgend spannt auch Marketing-Chef Zowislo den Lokalteil für sein Bemühen ein, CDU-OB von Mülheim zu werden.
Zitat: „Auch das ist wahr: Die Werbe-Inseln wachsen flächendeckend zusammen. Der Beeinflussungsversuch der PR auf journalistische Medien und die Beeinflussung der
Berichterstattung durch wirtschaftliche Interessengruppen nimmt massiv zu. Für die Marketing- und Werbeabteilungen der Industrie ist es die effizienteste Form der Image- und Produktwerbung. Schleichwerbung kommt hinzu. Schon soll es
Austauschbeziehungen nach dem Muster „Anzeige gegen Text“ geben.“
Einwurf: Herr Hombach scheint seine Zeitungen und die ihnen beiliegenden Produkte nicht zu lesen – das ist eine freundliche Unterstellung. Ansonsten könnte er Woche für Woche in dem von ihm als Ersatz für die Fernsehbeilage BWZ eingekauften Produkt „RTV“ feststellen, dass die Austauschbeziehung „Anzeige gegen Text“ längst eine Steigerung in dem Modell „Text statt Anzeige“ gefunden hat. Jede RTV-Ausgabe verstößt erstens gegen den Ehrenkodex und zweitens auch gegen die entsprechenden Bestimmungen des Presserates.
Zitat: „Das schon immer zerbrechliche Ethos der Trennung von Information und Kommentar erscheint als ein Restposten der Aufklärung. Es treibt nur noch wenige um.“
Einwurf: Steht dieser Satz für den Wunsch von Herrn Hombach, die Trennung von Information und Kommentar möge doch bitte wieder stärker beachtet werden? Noch scheinheiliger geht es kaum. Nur zwei Beispiele: Was wäre denn wohl aus der Kampagne der WAZ gegen Evonik-Chef Müller bei Beachtung dieses Gebots geworden? Dürfte der NRZ-CR Oppers bei Beachtung eines solchen Gebotes im Kuratorium „Rettet Intendant Kaufmann“ mitwirken?
Die Trennung von Information und Kommentar war ehedem (unter den Chefredakteuren Brost, Maruhn und Lehmann) eisernes WAZ-Gebot. Unter Knüpfer wurde diese Regel aufgeweicht, unter Reitz findet diese Trennung nicht mehr statt.
Zitat: „Jetzt werden wir umgehen müssen mit einer Gesellschaft, bei der jede noch so obskure Spinnerei im Internet „auf Sendung“ geht, überall auf der Welt zugänglich wird und unwiderruflich vorhanden bleibt, und das ohne „Fünf-Prozent-Klausel“ für Fanatiker, Demagogen, Phantasten.“
Einwurf: Dem kann man nur zustimmen. Aber auch in diesem Punkt ist Herr Hombach mehr als scheinheilig. Was soll die Klage über Fanatiker, Demagogen und Phantasten, wenn die Internet-Botschaften dieser „Missionare“ als „Leserbriefe“ oder „online-Kommentare“ ungefiltert Eingang finden in die Spalten der Zeitungen? Mit der Veröffentlichung dieser anonymen „Zuschriften“ wird das verbale Bemühen um Glaubwürdigkeit von Zeitung und Qualitätsjournalismus zur Farce. Es hatte seinen guten Grund, das „früher“ (wenige Jahre zurück) jeder Leserbrief auf seine Echtheit hin überprüft wurde. Es hatte seinen guten Grund, dass der Leserbrief nur dann anonymisiert veröffentlicht wurde, wenn der Schreiber mit der Nennung seines Namens persönliche Nachteile zu befürchten gehabt hätte.
Wenn heute unter diesen online-Zuschriften steht, der Name sei der Redaktion bekannt, dann ist das schlichtweg gelogen. Der Name ist der Redaktion nur dann bekannt, wenn sie den Leserbrief selber geschrieben hat. – Leider auch keine Seltenheit mehr.
Zitat: „Meine persönliche Biografie hat mich in die unterschiedlichsten Beziehungen zu Medien gesetzt. Wie kaum ein anderer habe ich fast alle Facetten möglichen Zusammenwirkens selber erfahren und darin eine Rolle gehabt. Die Quintessenz meiner Lebenserfahrung ist: Nichts kontrolliert die Macht und die Mächtigen so sehr und befördert sogar ihre Selbstkontrolle wie das Risiko, dass etwas veröffentlicht
werden könnte, was sie nicht veröffentlicht sehen wollen.“
Einwurf: Das ist schon richtig, es sei denn, der „Mächtige“ kontrolliert auch die Medien. Dennoch bleibt das Risiko letztlich bestehen; und Herr Hombach sollte Vertrauen haben in die Beharrlichkeit der Medien: Auch zu „seinem“ BGH-Urteil (VI ZR 65/08) wird es genau im Sinne des beschriebenen Risikos noch einen Nachtrag geben. Wir arbeiten daran, versprochen.