Persönlicher Protest eines Verlegers und Journalisten

Er heißt Nils Michael Becker, ist Rechtsanwalt, Verleger der größten regionalen Pferdezeitung in Deutschland „Die Pferderegion“ und hat als Journalist u.a. an Tageszeitungen gearbeitet. Becker hat jetzt seinen ganz persönlichen Protest übermittelt, indem er ein Angebot für den Druckauftrag für die Pferdezeitung absagte. Dieses Angebot war ihm von einem Mitarbeiter der Abteilung Fremddruck der WAZ-Mediengruppe unterbreitet worden und zwar für Druckhaus der WAZ in Essen. Becker schrieb zurück:

Sehr geehrter Herr … (Name von der Redaktion gestrichen),

ich komme leider erst jetzt dazu, auf Ihr schon länger übermitteltes Druckangebot in Sachen „Die Pferderegion“ zu reagieren.

Um es direkt vorweg zu nehmen: Wir werden da nicht zueinander kommen, auch wenn Ihr Angebot durchaus wettbewerbsfähig ist. Dies hat neben der engagierten und guten Betreuung durch das Druckhaus DD+V, das uns seit Gründung dieser Zeitung konsequent den Rücken freihält, auch folgenden Grund:

Ich verfolge mit wachsendem Ärger, wie die Eigentümer-Familien der WAZ-Gruppe mit historischen Strukturen des Pressewesens, und damit auch mit Kernelementen der Pressefreiheit im Ruhrgebiet umgehen. In den aktuellen Umstrukturierungsplänen der WAZ-Gruppe für die vier Ruhrgebiets-Titel kann ich keinen Funken von verlegerischem Anstand mehr erkennen.

Auch wenn unser Blatt in keiner Weise zu den Tageszeitungen der WAZ-Gruppe vergleichbar ist: Was (nicht nur) bei der WAZ zurzeit passiert, schädigt die Presse- und Medienvielfalt insgesamt. Das sage ich als Verleger, der sein Handwerk als Journalist in Tageszeitungen gelernt hat. Ich übersehe dabei auch nicht, dass das Druckhaus DD+V eine 60prozentige Tochter des Gruner+Jahr-Verlages ist, der sich zurzeit ebenfalls nach Kräften bemüht, das Ansehen deutscher Verleger zu schädigen.

Mir ist klar, dass nicht das Druckhaus der WAZ für die Pläne des Konzerns verantwortlich ist. Aber in Zeiten wie diesen scheint es mir wichtig, Position zu beziehen und darum will ich zwischen Druckhaus und WAZ nicht unterscheiden.

Verstehen Sie diese Absage daher bitte ausdrücklich als meinen persönlichen Protest gegen das Vorgehen der WAZ-Gruppe in Sachen WAZ, WR, WP und NRZ.

Mit dennoch freundlichen Grüßen

Nils Michael Becker
Verleger

Soweit die Absage zum Angebot. Mehr zum Hintergrund dieses persönlichen Protestes erfahren Leser auch auf der Homepage des Verlages in Bonn mit seinen 26 Regionalbüros in Westdeutschland http://www.die-pferderegion.de/?p=1979.

14 Antworten zu “Persönlicher Protest eines Verlegers und Journalisten”

  1. Mediekus sagt:

    Gibt also doch noch Verleger, die diesen Titel verdienen. Dank und Hochachtung, Herr Becker.

  2. Tippse sagt:

    Kompliment an diesen Verleger, der sich seiner publizistischen Verantwortung bewusst ist und danach handelt *knicksmacht*

    Offenbar werden dort selbst die Pferde besser behandelt als hier die Redakteure. Man muss sich einmal vor Augen führen, was dieser Vorgang bedeutet: Ein Verleger verzichtet auf die Dienstleistung dieses Hauses, weil ihm hier die Redakteurinnen und Redakteure von ihrem Arbeitgeber zu schlecht behandelt werden. „Keinen Funken von verlegerischem Anstand mehr“, bescheinigt er der GGF. So tief ist die einstmals „entschieden soziale“ Zeitung von Erich Brost und ihr Ansehen also inzwischen gesunken.

  3. zeilenschinder sagt:

    Dieser Verleger hat die einzige Sprache gesprochen, die das GGF-Großkapital versteht – nämlich die des Kapitals. Und dieses Argument ist auch das einzige, das Hombach ernst nimmt. Wenn jetzt wegen des Vorgehens des Hauses gegen uns Aufträge wegbrechen, wenn das Image unter Verlegerkollegen sinkt („kann ich keinen Funken von verlegerischem Anstand mehr erkennen“) und Geld wegen stornierter oder nicht erteilter Aufträge verloren geht, das beeindruckt unsere GGF. Offensichtlich nur das.
    .
    Aufrichtigen Dank für Ihre Solidarität, Herr Becker. Das ist Solidarität, die hilft.

  4. Druck sagt:

    Beachtlich dieser geharnischte Brief, aber er wird nur etwas bewirken knnen, wenn zu diesem Mosaiksteine viele weitere kommen. Doch davon ist bei der insgesamt ja ungetrübten Solidarität der Verleger kaum auszugehen.
    Und mit Druckaufträgen werden unsere Druckereien ggf. dann eben aus eigenem Haus versorgt. Man denke nur an all die unsäglichen Zowislo-Produkte wie Wein-Journale, Comcis, LWL-Prospekte, Ferien-Zeitungen etc. – zum Großteil graphisch grottenschlecht und inhaltlich meist dünn, aber teuer gedruckt über die „Hausdruckerei“ in Duisburg, der Meister Zowislo zu fetten schwarzen Zahlen verholfen hat.
    Ach, da könnte man auf die Idee kommen, danach zu fragen, ob dieser ebenso umtriebige wie effektlose Werbewirbel (inkl. Trucks und Weihnachtstrucks) auch in die „roten Zahlen“ der Zeitungstitel eingeflossen ist…
    Zowislo, eingekauft als des „Teufels General“, ist längst zum Feldwebel geschrumpft, der nur noch die eigene (ebenfalls kräftig geschrumpfte) Kompanie zusammensch… kann, aber das soll er ja perfekt beherrschen. Armes Mülheim, aber hoffentlich wird dieser fachlich völlig überforderte Hombach-Jünger tatsächlich zum OB gewählt.

  5. Was soll das? sagt:

    Ich glaube zwar nicht, dass der mögliche Auftrag des Pferdeflüsterers für die WAZ-Gruppe eine relevante Größenordung hat. Die Freude meiner Vorredner über den seltsamen, in sich unlogischen Brief ist allerdings komisch. Einige scheinen zu glauben, dass ein Verlust an Einnahmen positiven Einfluss auf die Rettung der Arbeitsplätze bei der WAZ hat. Eine bizarre Logik, die zu verstehen man wohl ein ganz bestimmter Typus Zeitungsredakteur sein muss.

  6. Watzki sagt:

    Komisch. Ich frage mich gerade, welchem Typus Du angehörst – pogressiv, dynamisch, mit Phantasie aber sachlich?

  7. Bizarr sagt:

    Ist es etwa logisch, die Druckereien zu „bestrafen“, die sich beispielsweise (noch) an Tarifverträge halten und auch sonst ihre Mitarbeiter mit Respekt behandeln? Die gibt es nämlich. Und es soll sie möglichst lange geben. Das dürfte nicht der Fall sein, wenn sie die Verlierer dieses sicher harten Geschäftes werden, nur weil andere sich Wettbewerbsvorteile z.B. durch Billig-Löhne verschaffen. Das meine ich generell, nicht auf eine einzelne Druckerei bezogen. Aber Tatsache ist doch, dass Verleger (vor allem Tageszeitungsverleger) vor einigen Jahren jede Menge Geld in Druckereien investiert haben, die heute nicht ausgelastet sind. Gleichzeitig sägen (und da sind wir beim Beispiel WAZ) sie ihren eigenen Druck-Ast ab, weil Umfänge spürbar reduziert werden. Nicht, dass Redaktionen oder Leser dieses wünschten, sie sind es selbst.

  8. Das ist fraglos richtig, und wir sehen es jeden Tag an den Druckangeboten, die von Druckereien im In- und Ausland, und regelmäßig auch von großen Zeitungshäusern hier reingereicht werden.

    Aber wenn man sich positionieren möchte in solchen Fragen, macht es ja keinen Sinn, zwischen Druckhaus und WAZ-Gruppe insgesamt zu unterscheiden. Unser Geld fließt im Ergebnis an den Konzern. Und wenn wir das nicht möchten, können wir schlecht trotzdem einen Auftrag an das Druckhaus geben.

    Damit hier kein falscher Eindruck entsteht, sollte ich vielleicht auch sagen, dass wir unsere Zeitung, die immerhin auf einem Gebiet von etwa 15 Prozent der Bundesrepublik erscheint, zu *zweit* produzieren, inklusive Redaktion und Druckvorstufe. Als Selbständige beuten wir uns da fleissig selbst aus, von Arbeitsplätzen oder Gehältern wie in der WAZ-Gruppe können wir nur träumen.

    Und ganz sicher dürfen wir uns deshalb herausnehmen, auch nach höchst persönlichen Meinungen zu entscheiden, wohin wir unser täglich sehr sauer verdientes Geld geben. Genau das ist ja der Grund, warum mir das Verhalten von WAZ-Entscheidern unsagbar auf den Senkel geht: Ohne Geldsorgen, aber mit harten Entscheidungen schnell dabei, wenn es darum geht, eigene Fehler der Vergangenheit zu „korrigieren“.

    Das wir mit einem Druckauftrag in Dresden dort helfen, Arbeitsplätze zu sichern, die nicht weniger wertvoll sind als die in Essen, nur am Rande.

  9. zeilenschinder sagt:

    Natürlich hat Herr Becker genau das Richtige gemacht, und es bleibt zu hoffen, dass möglichst viele andere ihm folgen. Nicht, weil ich meinem Verlag rote Zahlen wünsche. Aber weil nur und ausschließlich kommerzieller Druck von außen zusammen mit der klaren Bewertung der derzeit laufenden Vorgänge Erfolg bei der GGF erzielen kann, ist dieses Vorgehen richtig und sinnvoll.
    .
    Wenn einer nur deutsch kann, muss man deutsch mit ihm reden. Die GGF kann momentan nur euro.

  10. Tippse sagt:

    Der Brief und die Reaktion von Herrn Becker zeigen uns, dass dieser Blog auch von außen wahrgenommen wird. Darin liegt auch eine große Chance für uns. Denn Druck von außen war unerwartet und ist erfolgversprechend.

    Jede Sekretärin, die die Beiträge hier liest, könnte doch ihren Chef bei einer denkbaren nächsten Auftragsvergabe fragen: „Dieses Unternehmen, das seine Leute so schlecht behandelt, wollen Sie beauftragen? Andere haben davon bereits Abstand genommen.“ Ob er das dann tut, ist eine andere Sache; aber hinterfragen kann frau es doch zumindest. Auch Sekretärinnen von Politikern können ihre Chefs gut und gezielt informieren.

    Wir sind viele, und wir sind überall.

  11. der die welt nicht mehr versteht sagt:

    @ tippse im speziellen: irgendwie ist in den aussagen keine logik drin. wie kann man seinem arbeitgeber wünschen, dass die umsätze rapide wegbrechen? dann suchen sie sich am besten heute abend noch einen neuen arbeitsplatz. dass die redaktionen durch die eingehenden und verkauften aufträge erst bezahlt werden, ist bei einigen redakteuren scheinbar bis heute nicht angekommen. ich kann auf der einen seite nicht sinkende umsätze herbeiwünschen und auf der anderen meinen, dass mich das dann selber nicht betreffen wird! wie heißt es so schön… ein wenig über den eigenen tellerrand hinausgucken ist in den meisten situationen durchaus sinnvoll.
    um das noch kurz anzuschneiden: natürlich halte ich diesen blog für durchaus sinnvoll und ich verurteile auch sämtliche schritte der ggf, aber welches denken hier teilweise zu tage tritt, da fehlen mir die worte.

  12. Wilhelm Gerhards sagt:

    Was mich immer wieder in dieser Gesellschaft und auch beim „Fall WAZ“ traurig macht, ist, dass es wieder einmal nur um Gewinnmaximierung geht, Gelder für Leute, die mehr zum Leben haben, als man verleben kann. Darum denke ich manchmal, ob das alles etwas mit Demokratie und „sozial“er Marktwirtschaft zu tun hat. Mehr doch wohl mit dem Kampf bis auf’s Messer. Herr Hombach kennt das Geschäft, da er auch die Politik kennt.

    Dipl.-Kfm. Wilhelm Gerhards, Mönchengladbach
    Freier* Journalist – Publizist – Buchautor

    * dieses „Frei“ ist in Wirklichkeit die Hölle einer ebenfalls
    saumäßig schlechten Bezahlung. Strampeln wir eben bis
    Ende noch ein wenig.

  13. zeilenschinder sagt:

    @Weltnichtversteher: Wie ich anderswo schon mal ausführte: Meine Leser verstehen deutsch. Also muss ich deutsch mit ihnen reden/schreiben. Meine GGF versteht derzeit nur euro. Also?
    .
    Das ist genau das, was auch Tippse meint. Das Großkapital versteht nur die Sprache des Kapitals. Und beugt sich auch nur dem Druck des Kapitals. Ein wegfallender Auftrag ist derzeit mehr wert als ein Megafon auf der BV. Denn der erzeugt mehr Druck als wir. Und Druck ist ganz offensichtlich nötig. Deshalb bin ich Herrn Becker nach wie vor sehr dankbar. Und was wir brauchen sind ein, zwei, drei, vier, viele Beckers!

  14. […] Und zwar “Solikerzen”, mit denen gegen den bevorstehenden Umbau in der WAZ-Gruppe protestiert werden soll. Nachdem ich dem Druckhaus der WAZ eine – wie ich meine – freundliche Absage geschickt hatte, was eine mögliche Zusammenarbeit angeht, freuten sich die Düsseldorfer ver.di-Gewerkschafter offensichtlich, weil sie das als klare Unterstützung verstanden. […]