Trauer um Siegfried Maruhn

Der Deutsche Journalisten-Verband NRW nimmt Abschied von dem ehemaligen WAZ-Chefredakteur und seinem langjährigen Mitglied Siegfried Maruhn. Er starb am vergangenen Freitag im Alter von 87 Jahren. Wer den gebürtigen Tilsiter kannte, schätzte ihn als aufrechten, gradlinigen Menschen und Journalisten. So war Siegfried Maruhn vor 63 Jahren davon überzeugt, dass „die Journalisten eine schlagkräftige Interessenvertretung benötigten, die sich nicht nur um ihre materiellen Ansprüche kümmern, sondern auch ihre Freiheit verteidigen müsse“ und trat dem Verband der Berufsjournalisten in Hessen bei. Fünf Jahre später wechselte er zum damaligen Rheinisch-Westfälischen Journalistenverband, dem heutigen DJV-NRW.

Sich seiner Zwitterrolle als Chefredakteur der WAZ (von 1958 bis 1991) und Gewerkschaftsmitglied bewusst, blieb Maruhn tatsächlich lieber hinter den DJV-Kulissen, aber nicht untätig: Er setzte sich vehement für eine gute Journalistenausbildung ein und war elf Jahre lang Vorsitzender des Trägervereins vom Journalistenzentrum Haus Busch. Die Vertretung im Deutschen Presserat über 13 Jahre war für ihn eine „ehrenvolle Aufgabe“.

Seinen Wissensdrang wie seine gewerkschaftliche Haltung bewahrte sich der Journalist Maruhn mit trockenem Humor auch im Rentenalter. „Ich weiß“, schrieb er zum 60. des DJV-NRW, „dass die Situation der Journalisten heute in einer immer unübersichtlicheren Medienwelt schwieriger geworden ist. Doch das ist ein Grund mehr, einen starken Verband, eine tatkräftige Gewerkschaft zu unterstützen.“ Und an anderer Stelle: „Jetzt bin ich nur noch Pensionär und Beitragszahler und treuer Leser von Journal und journalist. So erfahre ich auch, was in der WAZ jeweils los ist.“

Der Abschied von Siegfried Maruhn für immer tut weh.

9 Antworten zu “Trauer um Siegfried Maruhn”

  1. […] Medien: Trauer um Siegfried Maruhn…Medienmoral NRW […]

  2. trauer sagt:

    Siegfried Maruhn war lange Jahre die Verkörperung der WAZ, stand für journalistische Qualität. In „seinen“ Jahren ging es mit der WAZ ständig aufwärts, die Auflage stieg permanent, identifizierten sich die Leser mit ihrem Blatt, waren die Redaktionen ein Garant für Lesernähe. In der Trauerfeier in Niederwenigen machte sein Nachfolger im Amt und nun auch schon Ex-Chefredakteur Ralf Lehmann in der überfüllten Kirche eindrucksvoll deutlich, was Siegfried für die Redaktion und die WAZ bedeutete. Von Gradlinigkeit, Toleranz, Offenheit, Hilfsbereitschaft und vertrauenvolle Zusammenarbeit war die Rede. Seine zurückhaltende Art schaffte ihm Respekt. Er war oft ein Schweiger, kein Schwätzer, hieß es. Davon war in dem vom jetzigen WAZ-Chefredakteurs-Team verfaßten ganzseitigen, trockenem Nachruf keine Rede. Etliche Passagen waren vielmehr unangebracht! Ich habe viele Jahre mit Siegfried Maruhn, nicht unter ihm, zusammengearbeitet. Danke! Das war die wirkliche WAZ !

  3. Ja sagt:

    Diese Atmosphäre gibt es heute nicht mehr. Die journalistische Qualität auch nicht mehr. Der WAZ-Nachruf war ein Beleg dafür.

  4. Ingo Dienhardt sagt:

    29 Jahre Zeitungsgruppe WAZ. Ich durfte Chefredaktionsmitglieder wie Siegfried Maruhn und Georg-Wilhelm Kruse bei der WAZ und Guenter Hammer und Bernd Dagge bei der Rundschau kennen und schaetzen lernen.

    Nicht nur ihre journalistischen Faehigkeiten waren es, die ich voller Hochachtung zur Kenntnis nahm. Alle vier erwaehnten Journalisten lernte ich auch bzw. vor allen Dingen als wahre Fuehrungs-Persoenlichkeiten kennen.

    Immer hatten sie ein offenes Ohr fuer die Belange ihrer Redakteure, immer suchten und fanden sie Wege, mit denen alle gut leben konnten. Da machte die Arbeit Spass, da schaute man nicht auf die Uhr. Und wegen „Husten, Schnupfen, Heiserkeit“ blieb niemand daheim.

    Siegfried Maruhn, Georg-Wilhelm Kruse und Guenter Hammer gingen altersbedingt in den Ruhestand, Bernd Dagge starb leider viel zu frueh.

    Ihre Nachfolger bei der WAZ kannte ich nur dem Namen nach, die Neuen bei der Rundschau erlebte ich live. Sozialdemokrat, Gewerkschaftler und praktzierender Christ Frank Buente und der heimliche wahre Chef Karl-Heinz Evers sorgten nicht nur bei mir dafuer, froh und gluecklich zu sein, als ich den „Laden“ verlassen durfte.

    Aber nicht im Zorn! Dafuer waren die Jahre mit Maruhn, Kruse, Hammer und Dagge zu lehrreich und schoen.

    PS: Natuerlich habe ich auch bei Buente und Evers etwas gelernt. Naemlich, wie man nicht mit Menschen umgehen sollte.

  5. Ex-Rundschau-Mann sagt:

    Hallo Ingo Dienhardt,

    beim Lesen Ihres Beitrages wurden wieder alte Erinnerungen bei mir wach. Was waren das doch für faire Chefs: Bernd Klaus Dagge als CvD oder Günter Hammer als Chefredakteur. Es waren Journalisten, die Talente förderten, die tatsächlich ein offenes Ohr hatten, eine hohe Sozialkompetenz. Ihr Wort galt; Ihre Kompetenz beispielhaft. Es waren anerkannte Journalisten.

    Desgleichen bei der WAZ: Siegfried Maruhn, ein ebenfalls fabelhafter Journalist mit hoher Sozialkompetenz.

    Von diesen Charakteren gibt es leider in den Führungsetagen nicht mehr viel.

    Auch solche Verleger wie Oppenberg scheinen ausgestroben zu sein. Aus seinem Büro kamen sogar Kränze und Beileidsbekundungen an die Hinterbliebenen, wenn ehemalige NRZ-Mitarbeiter verstorben sind.

    Daran mußte ich unwillkürlich denken, als ich Ihre Zeilen las.

  6. Als jemand, sagt:

    der ebenfalls die vorstehend Genannten noch kennen und schätzen gelernt hat, aber auch das hier erwähnte Nachfolgerteam, möchte ich feststellen, dass ich selbst dieses nicht zum Anlass genommen hätte, den „Laden“ zu verlassen. Bei Dagge hats auch bekanntlich auch hin und wieder heftig gerappelt, und Evers konnte, sagen wir mal, recht knackig sein. Aber eines war er ganz sicher nicht: ein willfähriger Abwickler. Er war immer noch Journalist und ein Rundschau-Mann.

  7. MAR16b,1,137m sagt:

    Es ging auch damals nicht immer nur lieb zu,
    MADEFULT
    .
    aber diese Männer setzten sich mit ganzer Kraft für ihre Zeitung, ihre Leute und den Nachwuchs ein. Sie waren vor allem Journalisten. Sie haben auch damals schon manchen „geschäftstüchtigen“ Versuch des Verlages abgewehrt. Und ihnen galt, sowohl innerhalb des Hauses als auch außerhalb, hoher Respekt.
    Wie hat sich das alles seitdem verändert!

  8. Zwei kleine Begebenheiten. die verdeutlichen, welche Maßstäbe unter Maruhn galten und was aus ihnen geworden ist.
    Maruhn hätte seinem Sohn locker ein Volontariat bei der WAZ besorgen können. Er hat es nicht getan, weil es bei der WAZ nicht üblich war, seine Familie in der Firma unterzubringen. Seine Nachfolger und Mitglieder der Chefredaktion haben dies dann nicht mehr so gesehen. Die Insider wissen, wen und was ich meine.
    Begebenheit 2: Jahre nach meinen Volontariat und meiner Redaktionszeit bei der WAZ habe ich ein TV-Feature für die Deutsche Welle über Erich Brost gemacht. Maruhn hat sich sofort an mich erinnert und gern ein Interview gegeben. Chefredakteur Lehmann hat sich erst mal meine Personalakte aus dem Keller kommen lassen.

  9. Erinnerung an den Elch sagt:

    Nicht vergleichbar

    Es ist nicht gerecht, sich über dem Grab von Siegfried Maruhn an den heutigen Managern im Verlag und Machern in den Chefredaktionen abzuarbeiten. Solche Vergleiche können Siegfried Maruhn nie gerecht werden und unterstellen zudem, der jetzt regierende WAZ-Chefredakteur sei auch nur im Ansatz mit einem Mann wie Maruhn vergleichbar.

    Nein, ich gehöre nicht zu denen, die sagen, früher sei alles besser gewesen. Aber: Vieles war anders und nicht wenig eben doch auch besser.

    Chefredakteure wie Maruhn, wie vor ihm Brost und nach ihm Lehmann hatten nun einmal die Ausstrahlung einer fachlichen Autorität, die heute nicht mehr zu finden ist. Sie hatten einen Standpunkt, sie gaben der WAZ ein unverwechselbares Rückgrat. Sie stellten sich und ihre Zeitung in den Dienst der Leser, an die Seite der Leser.

    „Entschieden sozial“ – solchen Chefredakteuren wäre es zum Beispiel nie in den Sinn gekommen, den Lesern mit brutaler Marktradikalität vorzurechnen, dass nach den Gesetzen der Mathematik die Rente mit 70 politische Pflichtaufgabe ist.

    „Entschieden sozial“ – das galt in der Zeitung und das galt in den Redaktionen. Und das war keine Sozialromantik, sondern gelebte Selbstverständlichkeit. Nie wären Chefredakteure wie Brost, Maruhn oder Lehmann auf die Idee gekommen, Redakteuren in passiver Altersteilzeit das Angebot zu machen, doch bitte sofort die Redaktion zu verlassen. Denn solche Angebote sind wegen ihrer Botschaft „Wenn Sie nicht für uns arbeiten, dann ist das besser fürs Unternehmen“ respektlos und ganz entschieden unsozial.

    Chefredakteure wie Maruhn brauchten keine eitle Selbstdarstellung in der Zeitung, in Nischensendern und auf Podien, sie behaupteten auch nicht lautsprecherisch große Erfolge für ihr Tun, sie hatten Erfolg, jedenfalls in der klassischen Definition von Erfolg. Heute definiert sich Erfolg als Auflagenverlust von über 20 Prozent in fünf Jahren, als konzeptionsloser Restrukturierungswahn, der im Ergebnis auch nur Eitelkeit befriedigt, aber nichts mit dem Lebensalltag der Leser zu tun hat, die sich deshalb in Scharen abwenden.

    So peinlich und beschämend für den Schreiber der Versuch auch war, sich mit dem Nachruf für Siegfried Maruhn in eine Reihe mit diesem zu stellen, so wichtig war er dann doch, um sich noch einmal an einen großen Chefredakteur der WAZ zu erinnern. Erschienen ist dieser Nachruf in einer WAZ, die nur noch den Namen der Brost-WAZ trägt, seine politischen Ideale und Vorstellungen vom Zeitungsmachen aber längst verraten hat.