Besonders Autos kommen schleichend

Reise, Auto, Gesundheit/Pharma – diese drei würden vermutlich die meisten Journalistinnen und Journalisten nennen, wenn es um die Themenfelder geht, die anfällig dafür sind, dass werbliche Inhalte unter die journalistischen gemogelt werden. Dabei schleichen sich die Autos wohl medienübergreifend besonders gerne ein, wie drei aktuelle Fälle in NRW zeigen:

Bei „Radio Kiepenkerl“ (Kreis Coesfeld) beanstandete die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) einen Verstoß gegen das Verbot der Schleichwerbung: Nach Feststellung der LfM-Medienkommission hätten zwei Beiträge zur Präsentation eines neuen Automodells durch ein lokales Autohaus aufgrund des werblichen Charakters als Werbung gekennzeichnet sein müssen. Die Medienkommission reagierte damit auf eine Programmbeschwerde der Initiative „Fair Radio“.

Schleichwerbung auch beim VOX-Magazin „auto mobil“: Hier bemängelte die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten die Sendung vom 9. Januar 2011, gegen die mehrere Zuschauerbeschwerden eingegangen waren. In diesem Fall wurde ein Autopflegeprodukt ausgiebig im Bild gezeigt und im Moderationstext als „hochwertig“ und im gegenüber anderen Pflegemitteln „überlegen“ bezeichnet. Die ZAK sah hier eine Werbeabsicht, die Präsentation sei erkennbar „nicht aus inhaltlich-redaktionellen Gründen“ erfolgt.

Auch bei der verdeckten Recherche, die ein taz-Mitarbeiter bei verschiedenen Tageszeitungen durchführte, tauchen unter anderem die Autos auf.  Im Angebot sind sie bei der WAZ-Gruppe: “Sie können den Titelplatz hier vorne kaufen”, zitiert taz-Autor Sebastian Heiser im taz-Rechercheblog einen Mitarbeiter des WAZ-Konzerns, der beim Gespräch in Essen das Automagazin “Mein Auto” vorzeigt. Für 66.666 Euro plus Mehrwertsteuer komme das Auto nicht nur auf die Titelseite des Magazins, sondern werde auch innen auf einer Doppelseite vorgestellt. Anders als es das Landespressegesetz vorschreibt, wird der gekaufte Text dabei wohl nicht als “Anzeige” gekennzeichnet. Immerhin steht oben auf den Seiten “Verlagssonderveröffentlichung”. “

Bei der WAZ-Gruppe sind auch andere Themen im Angebot, wie Heiser beschreibt: „Bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung kann man Artikel per Katalog bestellen. Der Katalog liegt schon für mich auf dem Schreibtisch bereit, als ich den Raum zu dem Gespräch mit dem Mitarbeiter betrete. ‚Sonderwerbeformen – Daten und Preise‘ steht auf dem Titel, und dahinter kommen rund 60 Seiten voller Angebote zum Kauf von Anzeigen und Artikeln.“ (pdf zum Download)

Auf Heisers Anfrage erklärt Konzernsprecher Paul Binder allerdings, dass in den Verlagssonderveröffentlichungen nur Anzeigen gekauft werden könnten, keine Texte. „Verlagssonderveröffentlichungen entstehen, weil Kunden ihre Anzeigen in themenaffinen Umfeldern schalten wollen. Ein Beispiel: Autoanzeigen im Umfeld von Texten zu Autothemen. Sonderseiten dieser Art sind für den Leser klar sichtbar als Anzeige oder Anzeigensonderveröffentlichung gekennzeichnet.”

Nun ist die Praxis der Verlagsonderveröffentlichungen nicht schön, aber auch nichts Neues, und immerhin ist die Schleichwerbung hier – anders als in den oben erwähnten Fällen von VOX und Radio Kiepenkerl – nicht in den redaktionellen Teil vorgedrungen.

115 Antworten zu “Besonders Autos kommen schleichend”

  1. aneimemstrang sagt:

    die Junge Welt berichtet über die Streiks der Drucker, Journalisten und Verlagsangestellten
    http://www.jungewelt.de/2011/05-16/035.php

  2. Doppelkorn sagt:

    @Hans Plagwitz:
    Das ist schon einen Lacher wert!

  3. taf sagt:

    @medienmoral/Plagwitz:
    Die Entscheidung der Journalistengewekschaften, die Tarifpilitik/Streimaßnahmen aus diesem Blog herauszuhalten erfolgte wohl in völliger Unkenntnis der Basissituation. Die Tarifkommission Tageszeitung setzt doch das um, was die Basis für richtig hält. Sie ist auf die „Stimmung“ vor Ort angewiesen und damit richtig in diesem Blog. Die Kommunikation aller Journalisten ( nicht nur Mitglieder ) mit den beiden Journalistenorganisationen hat in den letzten Jahren nie richtig geklappt. Viele wollten mit den „Gewerkschaftsfunktionären“ nichts zu tun haben. Dieser Blog ist ein Sammelbecken aller und hat in etlichen Angelegenheiten Erfolg gehabt. Wie DJV und dju auf die „Schnappsidee“ kamen, die aktuelle Tarifpolitik aus dem Blog zu verbannen, ist mir schleierhaft. Oft kommt man auf mehreren Wegen zum Ziel.

  4. E. Mühsam sagt:

    @taf
    Politisch waren die Gewerkschaften stets ein bloßes Anhängsel der sozialdemokratischen Partei, ihr sogar in den wichtigsten Entschlüssen direkt subordiniert.
    Ihr ganzes Streben war auf Vermeidung jedes Kampfes gerichtet, und ihre Tätigkeit war eine ständige würdelose Techtelmechtelei mit der Arbeiterschaft. Es kann ohne Übertreibung gesagt werden, daß in Deutschland trotz der riesigen Koalitionen der Arbeiter, trotz ihrer zum Platzen gefüllten Kassen nicht ein einziger großer Streik gewonnen wurde. Die Hauptsorge war nicht: Wie setzen wir die Forderungen der Streikenden durch, sondern: Wie bringen wir die Geschichte schleunigst und einigermaßen glimpflich zu Ende?

  5. P. Lustig sagt:

    @taf
    Waren sie das, die Gewerkschaften? Interessant.

  6. zeilenschinder sagt:

    Es wird mal langsam Zeit, die Tageszeitungen in ganz NRW gleichzeitig zu bestreiken, und nicht nur häppchenweise wie bisher. Mit den Kolleg(inn)en aus Ostwestfalen und dem Münsterland ist der Freischütz dann auch schön voll…

  7. Schnarchnasen sagt:

    Wenn man so den Tiefschlaf dieses Blogs betrachtet, fällt einen der Gedanke an, dass bereits einige Anstaltspackungen Lexotanil und Rohypnol unters Journalistenvolk geworfen wurden.
    .
    Dann schnarch mal schön, Vierte Gewalt! Morgen früh, wenn Bodo will, wirst Du wieder geweckt.

  8. zeilenschinder sagt:

    Heute machen wir’s mal ohne Bodo, @Schnarchnasen 😉
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    Ich bin ja mal gespannt, welchen Spion er dieses Mal schickt. Den vom letzten Streik hat er ja befördert, den kann er nicht wieder nehmen (nicht, dass derjenige etwa geglaubt hat, sein Kollegenverrat oder er selbst sei inzwischen vergessen worden, oh nein). Der trägt jetzt graue Nadelstreifen statt langem schwarzen Ledermantel – ich weiß nicht, was schauriger aussah…
    .
    So, jetzt aber ab auf die Autobahn. Rund um den Freischütz aufpassen, Kolleg(inn)en, die lieben netten Gewerkschaftsfreunde der GdP nutzen Tage wie diesen dort sehr gerne zu Radar- und ähnlichen Kontrollen. Kommt mit euren Autos schleichend, um ganz eng am Thread-Thema zu bleiben. Wir sehen uns gleich…

  9. WR sagt:

    Die WAZ-Gruppe hat in den vergangenen Jahren die Zahl der Tageszeitungs-Redakteure in NRW von 900 auf 600 reduziert, weil drei ihrer vier Blätter in die roten Zahlen geraten waren. Hombach deutete an, dass die „Westfälische Rundschau“ immer noch nicht über den Berg ist: Sie könne sich noch nicht „zurücklehnen“. Der WAZ-Geschäftsführer kündigte zudem weitere Sparmaßnahmen in NRW an, die diesmal aber nicht die Redaktionen treffen sollen: „Nun sollen auch der Verlagsbereich und die Produktion ihren Beitrag leisten.“

    http://kress.de/tagesdienst/detail/beitrag/110387-waz-boss-hombach-ist-fuer-vermarktungsallianzen-es-gibt-kein-denkverbot.html

  10. wazschleichwerbung sagt:

    mit dem Thema Schleichwerbung bei den Titeln der WAZ Women Group hat sich erneut die taz befasst
    http://www.taz.de/Schleichwerbe-Verdacht/%21120026/

  11. prostitution sagt:

    ist der aus dem Handelsblatt bekannt gewordene Fall nicht ein klassischer Fall für medienmoral?
    http://www.turi2.de/2014/03/27/heute2-handelsblatt-verkauft-seite-3-artikel-18063286/