WAZ-Modell nicht zerschlagen
Die fast 300 Delegierten des DJV-Verbandstags verabschiedeten heute in Rostock-Warnemünde einmütig eine Resolution zur Erhaltung der publizistischen Vielfalt und der journalistischen Arbeitsplätze bei der WAZ-Gruppe. Wörtlich heißt es:
Der DJV-Verbandstag fordert Gesellschafter und Geschäftsführung der WAZ-Mediengruppe auf, die publizistische Vielfalt und die journalistischen Arbeitsplätze in den Zeitungstiteln WAZ, NRZ, WR und WP zu erhalten.
Das jahrzehntelang praktizierte WAZ-Modell mit seinen vier eigenständigen Titeln darf durch die Sparpläne der Geschäftsleitung nicht zerschlagen werden. Durch die angedrohte Einsparung von 30 Millionen Euro sind 300 von 900 journalistischen Arbeitsplätzen sowie die berufliche Existenz vieler freier Mitarbeiter bedroht. Noch weniger Redakteursstellen bedeuten außerdem eine weitere Verschärfung der bereits extremen Arbeitsdichte.
Die DJV fordert die Geschäftsleitung zu einer offenen Informationspolitik gegenüber Betriebsräten und Belegschaften auf, statt durch Interviews Angst und Unsicherheit zu erzeugen.
Betriebsbedingte Kündigungen müssen insbesondere dort tabu bleiben, wo gleichzeitig eine „Kriegskasse“ mit mehreren Hundert Millionen Euro vorhanden ist.
Der DJV wird die Umsetzung der angekündigten Sparmaßnahme nicht einfach hinnehmen.
Was passiert eigentlich, wenn der Konzern im Moment komplett verschlankt wird, um die Tageszeitungen dann zu verkaufen? Ist es so abwegig, dass die WAZ Mediengruppe einmal nicht als Käufer ins Spiel kommt und erwähnt wird, sondern vielleicht als VERkäufer? Einem Herrn Nienhaus ist es ja offensichtlich egal, was er verkauft, solange die Rendite stimmt. Und wenn dann auch noch die Mehrheit der Eigentümerfamilien dafür ist, den Laden zu versilbern – Prost, Mahlzeit!
Und wieso steht nicht endlich einer der alten WAZ-Granden auf und erhebt die Stimme? Wo ist Herr Lehmann, ehemals erfolgreicher WAZ-Chefredakteur? Wo ist Herr Bünte, ehemals beliebter und engagierter WR-Chefredakteur? Und was ist mit Herrn Kiessler? Tut es ihm nicht weh, wenn er anschauen muss, wie sein Nachfolger sich lieber im Fernsehen und Co. tummelt, als eine Zeitung zu führen?
Wenn wir nicht kämpfen, ist alles vorbei. Nicht Herr Reitz ist die WAZ. Die vielen fleißigen und engagierten Redakteure der Zeitungen müssen aufstehen und ihre Stimme erheben. Es gibt bei ihnen keine WAZ Mediengruppe Identität, sondern eine Zeitungsidentität. Wer nicht will, dass diese ihm genommen wird, muss sich einmischen und darf nicht einfach abwarten.
Und es wird alle treffen – nicht nur die Redakteure. Ebenso die Sekretäre und auch die Drucker, die weniger Arbeit haben.
Diese schlimmen Veränderungen schmerzen mir in der Seele.
Zum Thema „Erhalt von journalistischen Arbeitsplätzen“ kommen die Einschläge bei der WAZ-Gruppe näher. In der Service-/Beilagen-Redaktion, die zur Zeit noch zur MSG (Medien Service Gesellschaft, nicht tarifgebunden) und demnächst zu WAZ KG gehört, werden zwei Kollegen in diesen Tagen ihre „betriebsbedingten“ Kündigungen erhalten. Andere Kollegen fürchten nun auch, zu „Personalgesprächen“ eingeladen zu werden.
Wie durch Zufall wurde im WAZ-Intranet vor einigen Tagen der MSG-Sozialplan als PDF online gestellt.
der nrz-chefredakteur wickelt das blatt nur noch ab…
Wer ein Klima der Angst und Verunsicherung erzeugt, nimmt den Menschen die Motivation, schreibt der DJV. Völlig richtig.
Möglich aber auch, dass das Ganze in Wut umschlägt. Es gibt viele Anzeichen dafür, dass genau das im Hause gerade geschieht. Viele Kolleginnen und Kollegen sind inzwischen bereit, sich mit allen Mitteln gegen die hinterhältige Taktik dieser Geschäftsführung zu wehren. Sie wollen sich wehren gegen Menschen, die ohne Not ein Drittel der Belegschaft vor die Tür setzen wollen und zugleich damit prahlen, dass die WAZ-Gruppe genügend Geld in ihrer „Kriegskasse“ hat, um weiter andere Blätter aufzukaufen.
Wir werden nicht weiter mit ansehen und erdulden, wie die jahrzehntelange Aufbauarbeit, die wir alle geleistet haben, jetzt binnen weniger Monate durch Selbstsucht und Maßlosigkeit zerstört wird!
Es ist unbegreiflich. Herr Schumann und Herr Grotkamp hätten, so hart sie sein konnten, eine derart miese Tour niemals gefahren. Diese beiden Geschäftsführer besaßen Rückgrat und Ehre. Sie waren nicht nur Geschäfts-, sondern immer auch Zeitungsleute. So hatten sie, trotz mancher Differenz, stets den Respekt der Beschäftigten.
Ich kann nur hoffen, dass wirklich jeder in der WAZ-Gruppe erkennt, wie wichtig es für ihn selbst und für die Medienvielfalt im Lande ist, dass er sich mit aller Kraft gegen die Pläne von Nienhaus und Hombach einsetzt. Deshalb sollte bei der Betriebsversammlung am 11.11. niemand fehlen!
Richtig … es gibt kaum noch Verleger. Die Verlagsmanager haben Rendite statt Redaktion im Blut, und deshalb ticken sie anders. Dagegen muss man sich wehren, um wenigstens die Auswüchse zu vermeiden. Allerdings tun Verlagsgeschäftsführer nur ihren Job; die Besitzer können und dürfen sich nicht hinter ihren Top-Angestellten verstecken. SIE tragen die Verantwortung, wenn notwendiges Geldverdienen zur Gier verkommt. Wir müssten sie unbedingt daran erinnern.
Übrigens ist der beklagenswerte Mangel an Verleger-Persönlichkeiten nach meiner Ansicht auch der Grund dafür, dass die Gewerkschaften in den Tarifrunden keine Chance haben, auch mal neue Wege zu gehen. Es gibt keine verlässlichen Tarif-„Partner“ auf der anderen Seite, mit denen man vertrauensvolle „Geschäfte“ zum Nutzen aller machen könnte.
Die Redaktionen sind nunmehr am Schluß die Dummen für teilweise schlimme Fehler die vorher gemacht wurden und mit dafür gesorgt haben, dass das WAZ-Schiff im Bereich Tageszeitungen Schlagseite bekommen hat und die Zahlen nicht mehr stimmen. Wer sich immer mehr von Kunden und Lesern abwendet, indem man ihnen Call-Center anstatt das persönliche Gespräch vor Ort und Anzeigenabgabetermine trotz Volldigitalisierung wie bei einem Wochenblatt vorsetzt, darf sich am Ende nicht wundern.
Das Schlimme ist daran, dass etliche Mitarbeiter es sehen., dass da etwas schief- und falsch läuft, der Weg aber unbeirrbar weitergegangen wird. Ausdrücklich wird auf das Besipiel BenQ hingewiesen, wo die Mitarbeiter genau gerochen haben, was da passiert und hilf- und tatenlos mitansehen mussten, wie ihr Schiff und die Arbeitsplätze versenkt wurden. Soweit ist es ja noch lange nicht, aber eine Unternehmensführung täte manchmal gut daran, ab und zu ein Ohr unten an der Basis zu haben, als sich alles immer über das Board oder andere Managementebenen ausgefiltert berichten zu lassen.