Umzug beschlossene Sache
Keine Konzepte, sondern entschiedene Sache: Die Geschäftsführung des Westdeutschen Zeitschriftenverlags (WZV) verkündete heute Morgen das Aus für den Standort Adlerstraße 22 in Düsseldorf zum 31.Dezember 2009. Der Umzug nach Ismaning bei München für fünf Zeitschriften-Titel „Das Goldene Blatt“, „Neue Welt“, „Frau aktuell“, „Echo der Frau“ und „Freizeit exklusiv“) sowie „Welt am Sonnabend“ (WaSo-Verlag) ist beschlossene Sache. Dort wird bereits „Frau im Spiegel“ produziert. WZV und WaSo sind Töchter der WAZ-Mediengruppe.
Betroffen sind rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn überhaupt, wären gerade fünf bereit, nach Bayern zu ziehen. Unter entsprechenden Bedingungen natürlich. Das ist das Ergebnis einer Befragung durch den Betriebsrat. Denn bis heute 10 Uhr war alles noch Gerüchteküche. „Man hat uns Konzepte und Mitwirkung zugesagt, aber uns heute eine Entscheidung mitgeteilt“, sind die Betriebsratsmitglieder uni sono sauer.
Die Belegschaft ist geschockt. Bis heute hofften die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch, dass der Standort Düsseldorf mit 70 Jahre alter Tradition erhalten bliebe, zumal das Gebäude der WAZ-Gruppe gehört und notwendige Sanierungsarbeiten zunächst als Grund für „Umzugsüberlegungen“ angegeben worden waren. Nebenbei bemerkt: Seit zehn Jahren hat der Eigentümer keine Renovierungsarbeiten an dem Gebäude durchgeführt.
Kenner der Szene halten die Sanierungsgeschichte ohnehin für einen vorgeschobenen Grund, tatsächlich vorgenommene Besichtigungen anderer Büroräume in Düsseldorf für Makulatur: In Wahrheit gehe es darum, Geld durch Minimierung der Mitarbeiterzahl zu sparen. Tatächlich legte die Geschäftführung ein Papier vor mit dem Titel „Verlegerische und strategische Entscheidung der Zukunft der Frauenzeitschriften der WAZ Mediengruppe“. Das
Papier trägt das Datum von heute (31. Juli 2009).
Der Betriebsrat mit der Vorsitzenden Sabine Ring will sich jedenfalls nicht einfach mit der Entscheidung der Verlagsspitze abfinden. Für den Fall der Fälle hatte er bereits eine Anwältin eingeschaltet und will noch heute die Presse informieren. In Schreiben an Politiker in Düsseldorf und NRW bis hin zum Ministerpräsidenten werden diese um Unterstützung „im Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze“ gebeten. Die gewerkschaftliche Solidarität und Untertützung ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der WAZ-Töchter sicher.
Die betriebswirtschaftlichen Überlegungen ist die eine Seite, der Umgang mit der betroffenen Belegschaft die andere. Das Betriebsverfassungsgesetz schreibt zwingend eine „rechtzeitige“ Unterrichtung des Betriebsrates bei derartigen Maßnahmen vor, damit die Arbeitnehmervertretung ihre ( alternativen ) Vorstellungen einbringen kann, eventuell sogar bessere Lösungen gefunden werden können. Die WAZ-Mediengruppe hat in der Vergangenheit das Betriebsverfassungsgesetz in ähnlichen Situationen meist mißachtet und die Betroffenen stets vor vollendete Tatsachen gestellt. Bei WZV nicht einmal in einer Betriebsversammlung gemäß des Betriebsverfassungsgesetzes, sondern in einer sogenannten Mitarbeiterversammlung des Arbeitgebers, in der die Geschäftsleitung schalten und walten kann wie es ihr beliebt. Das grenzt an Menschenverachtung. So auch in diesem Fall. Auf Diskussionen ließ die Geschäftsleitung aus Essen sich gar nicht erst ein, sondern suchte schleunigst das Weite.
Das WAZ-Gebäude in der Adlerstraße wurde in den letzten Jahren heruntergewirtschaftet – so etwas nennt man kostengünstig – und notwendige Reparaturen nicht vorgenommen, dann verkaufte sogar WAZ-Sprecher P. Binder Anfang April den maroden Zustand dreist als Umzugsgrund. Eine Suche nach alternativen Standorten in Düsseldorf fand nie statt, war auch nicht nötig, da der Standort München bereits vor Jahren – als der Gong geschluckt wurde – schon als künftige Zeitschriftenzentrale feststand. Nun wird das lukrative Millionenprojekt Adlerstraße 22 verscherbelt. Und die Belegschaft gleich mit, denn nur die wenigsten sollen den Weg mit nach München gehen. Personalabbau im großen Stil. Sonst lohnt sich die Sache ja nicht. Ein zweifach gutes WAZ-Geschäft. Der Gewinn wird proportional viel größer sein, als der Personalabbau bei den vier WAZ-Zeitungstiteln.
Und die schwarz-gelbe Landesregierung rühmt weiter ihre Medien(standort)politik. . . mit dem Verlust von Arbeitsplätzen in NRW.
Aus Düsseldorf hört man ja gar nichts mehr … sind die Kollegen dort mittlerweile völlig paralysiert?
Von der Konzentration in München sind wohl auch die Fach- und Hobbyzeitschriften des vth-Verlags in Baden-Baden und der ältesten deutschen Modellbahnzeitschrift „MIBA“ betroffen – letztere ist seit immerhin 60 Jahren in Nürnberg ansässig und dort fest verwurzelt.
Da will sich wohl Manfred Braun sein eigenes kleines Imperium innerhalb des Imperiums aufbauen. Von den ausführenden Schergen der Geschäftsleitung waren jedenfalls bislang keine in irgendeiner Weise überzeugenden Argumente zu hören, sondern allenfalls die sattsam bekannten hohlen Floskeln aus der Phrasendreschmaschine fürs Management – Synergie-Effekte nutzen und die Kräfte bündeln …
Wenn es dann um Themen geht wie Prinzessin Victoria im Miniaturwunderland, Katzen auf der Modellbahn oder Dackel im RC-Hubschrauber säßen dann zumindest alle Experten prima beieinander …
Irgendwo scheint es den verantwortlichen Herren völlig entgangen zu sein, dass es im 21. Jahrhundert so etwas wie Internet und moderne Kommunikationstechnologien gibt; grundsätzlich dürfte es da doch völlig gleich sein, an welchem Standort eine Redaktion wirklich sitzt.
Sinn macht das Ganze dann auch nur, wenn man seitens der Geschäftsleitung alle Mitarbeiter bewußt vergrätzen und auf einen Schlag möglichst viele loswerden will!!!
Bei solchen Methoden wünscht man sich als gebürtiger Kölner am liebsten die Reaktivierung der Weckschnapp!!!!
Oder wie wäre es mit eineim Blick zu den französischen Kollegen – und die ganze verantwortliche Bande wenigstens ein paar Tage lang zusammen einsperren …
Inzwischen ist ja traurige Gewissheit, was aus der Sache geworden ist:
Medienberichten zufolge fallen Arbeitsplätze weg. Die verbliebenen Beschäftigten kommen in einer neuen GmbH, die nicht tarifgebunden ist :-/
Und die Zeitschrftenproduktion wird zentralisiert. Eine zentrale Redaktion soll sich für alle Titel um Inhalte wie Reisen, Kochen und Service kümmern. Na toll, noch mehr Einheitsbrei…